COP28 und Lobbyisten fossiler Energie: Aktivisten wollen Einfluss bremsen

Die Rohstoffindustrie schwenkt um, auch in ihrer Reklame. Der französische Energiekonzern Totalenergies wirbt während der Weltklimakonferenz in Dubai mit großen Leuchttafeln für sich, auf denen bunte Solarzellen freundlich in der Wüstensonne glitzern. Darunter prangt der Spruch „Das Unternehmen für alle Energien“. Kaum ein anreisender Teilnehmer des Großtreffens der Vereinten Nationen kann sich dieser Botschaft entziehen: Sie ziert die Gepäckbänder am Flughafen. Der Auftritt von Konzernen wie Totalenergies hat am Rande der Konferenz eine Diskussion über den Einfluss der Öl-, Gas- und Kohleindustrie ausgelöst. Ein Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen hat sich die Listen der Akkreditierungen genauer angeschaut und ist zu dem Schluss gekommen, dass auf der so genannten COP28 der fast 200 Vertragsstaaten rund 2500 Vertreter der fossilen Brennstoffindustrie anwesend seien. Die Zahl ist hoch, klingt aber nicht dominierend angesichts eines Rekordbesuchs von insgesamt mehr als 90.000 Personen in Dubai, doppelt so vielen wie vergangenes Jahr im ägyptischen Scharm el-Scheich. Die Zahl der fossilen Interessenvertreter habe sich seit der damaligen COP27 aber annähernd vervierfacht, argumentieren die Studienautoren, und sie stelle viele andere Gruppen in den Schatten. Vervielfachung binnen eines Jahres So seien viel mehr Brennstofflobbyisten in die Vereinigten Arabischen Emirate gereist, als dort Vertreter der zehn vom Klimawandel am meisten getroffenen Länder anwesend seien, die 1510 Abgesandte schicken. Auch wurden sieben Mal so viele Delegierte der fossilen Industrie zugelassen wie offizielle Vertreter indigener Völker, deren Zahl sich auf 320 beläuft. Sieht man die 2456 Fossillobbyisten als Gruppe, dann weisen die Berechnungen nur für die Emirate als Gastgeber und für die brasilianische Delegation mehr Teilnehmer aus, nämlich 4400 und 3100 Personen. Allerdings müsste man in einer solchen Betrachtung dann auch die Akteure der „Umweltlobby“ zusammenzählen, die noch zahlreicher sind. Unabhängig kann man die Studienautoren wohl nicht nennen, die dahinterstehende „Koalition“ aus 450 Organisationen trägt ihre politische Stoßrichtung schon im Namen, sie heißt „Kick Big Polluters Out“, auf Deutsch: „Schmeißt die großen Verschmutzer raus“. Genau das ist das Ziel – den Auftritt der vermeintlich fehlgeleiteten, der „falschen“ Teilnehmer zu verhindern. Die Scheidung ist eindeutig: Die sogenannte Zivilgesellschaft sowie die Vertreter aus den gefährdeten Regionen stehen auf der richtigen Seite, die kohlendioxidproduzierende Industrie nicht. Die Studienautoren halten die Zahlen für alarmierend Zu der Allianz gehören 450 Unterstützer, teilweise mit ihren Landes-, Regional- oder Digitalorganisationen. Darunter sind zum Beispiel Attac, die Deutsche Stiftung Meeresschutz, Extinction Rebellion, Greenpeace, Transparency International, das Climate Action Network, Friends of the Earth und Fridays For Future. Die Studienautoren halten die festgestellten Zahlenverhältnisse für alarmierend. Es zeige, „dass die COP28 von den großen Umweltverschmutzern als Gelegenheit genutzt wird, um eine auf fossilen Brennstoffen basierende Agenda auf Kosten der Menschen an vorderster Front voranzutreiben“, heißt es in dem Papier. Die Wortwahl ist scharf. Ogunlade Olamide Martins von der Organisation Corporate Accountability and Public Participation Africa wird so zitiert: „Mit den großen Umweltverschmutzern bei Gesprächen über den Klimawandel zusammenzusitzen, bedeutet, mit dem Teufel zu speisen.“ Caroline Muturi von der Gruppe Ibon-Africa nannte die große Präsenz „im Grunde kolonial“. Es sei kein Wunder, dass die Mehrheit der anwesenden Unternehmen aus dem globalen Norden stamme. „In den vergangenen Jahren sind die COPs für viele Unternehmen zu einer Möglichkeit geworden, ihre umweltverschmutzenden Geschäfte grünzuwaschen und auf gefährliche Weisen von den wirklich notwendigen Klimaschutzmaßnahmen abzulenken.“ Zu diesem Vorwurf passte am Mittwoch eine Meldung, wonach Unternehmen wie Totalenergies, Aramco und Exxon seit Beginn der Konferenz mehr als 5000 „Greenwashing-Anzeigen“ auf Google und Youtube geschaltet hätten. „Das zielte nicht nur darauf ab, die Öl- und Gasindustrie zu bewerben, sondern auch, ein klimafreundliches Image zu vermitteln“, heißt es in einer Analyse der Gruppe Climate Action Against Disinformation. Der Deutschlandfunk zitierte am Mittwoch Stimmen, die offen den Ausschluss der Rohstoffvertreter von der Konferenz fordern. „Vertreter und Vertreterinnen großer fossiler Energiekonzerne sollten nicht an der Weltklimakonferenz teilnehmen dürfen“, sagte Lisa Göldner von Greenpeace. „Es muss hier klar unterschieden werden: Wessen Interesse ist es wirklich, eine Klimawende zu schaffen und Menschenrechte zu sichern? Und wessen Interesse ist es hier einzig und allein, Profite der fossilen Industrie zu sichern?“ Ähnlich äußerte sich Brot für die Welt. „Die COP sollte die falschen Akteure rausschmeißen und die richtigen Leute reinlassen“, sagte Klimareferentin Sabine Minninger. Die Veranstaltung dürfe „nicht ein Schauplatz werden für die falschen und bösen Jungs. Die brauchen wir hier nicht.“ Rohstoffhandelsverbände seien besonders präsent Was die Herkunft der Lobbyisten angeht, so sind der Untersuchung zufolge die Rohstoffhandelsverbände in Dubai besonders stark präsent. Als dickster Fisch gilt die Internationale Gesellschaft für den Emissionshandel IETA aus Genf mit 116 Mitreisenden, darunter jenen der Öl- und Gaskonzerne Shell und Equinor aus Norwegen. Totalenergies und EDF seien sogar Teil der offiziellen französischen Delegation. In Italien gelte dasselbe für Eni; die Europäische Union werde unter anderem von Mitarbeitern der Gesellschaften BP und Exxon-Mobil begleitet. Die Unternehmen weisen die Vorwürfe zurück. Sie erinnern daran, dass sie große Investitionen in die „grüne Transformation“ leisteten. Sie verschlössen sich nicht dem Klimaschutz, sondern, im Gegenteil, trieben ihn voran. Der Stahlhersteller Thyssen-Krupp erklärte, dass man Teile der Produktion auf Wasserstoff umstelle und viele Produkte anbiete, um anderen die grüne Transformation zu ermöglichen. Der Stromerzeuger Leag stellte klar, dass man zwar noch von der Braunkohle lebe, aber auf erneuerbare Quellen umsteige. Bis 2030 seien Investitionen von 10 Milliarden Euro in den Aufbau von bis zu 7 Gigawatt Ökostromerzeugung geplant. Der Veranstalter, das UN-Klimasekretariat, erklärte, die COP sei ein Dialogforum, auf dem man alle Standpunkte hören sollte, auch die der Wirtschaft. Schließlich müsse diese das Klimaabkommen von Paris mit Leben füllen. Die Definition geeigneter und ungeeigneter Teilnehmer sei unmöglich: Wer könne schon entscheiden, wer wirklich die „bösen Jungs“ seien? Auch die deutsche Regierungsdelegation am Golf gibt sich gelassen. „Wir haben keine fossile Lobby in der Delegation“, versichert Entwicklungsstaatssekretär Jochen Flasbarth. Der Austausch mit diesen Kräften sei aber wichtig, und deswegen müssten sie auf der COP vertreten sein – nicht zuletzt im Vergleich zu den Nichtregierungsorganisationen (NGOs): „Das Gewicht der Umwelt-NGOs ist enorm. Insofern ist es richtig, dass wir die Türen für diese Klimakonferenz seit jeher offenhalten: für alle.“ Die Anwesenheit der Brennstoffindustrie habe ihn „nie gestört, ich bin da ganz entspannt“, sagte Flasbarth. Ähnlich äußerte sich Stefan Wenzel in Dubai, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium. „Ich habe mich nie gescheut, gerade mit Industrievertretern in diesen Dialog zu gehen“, sagte er. So habe er zu Wochenbeginn mit Thyssen-Krupp und Siemens darüber diskutiert, wie deren Branchen auf den Treibhausgasausstoß künftig verzichten könnten. Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatte Wenzel noch vergeblich nach Repräsentanten der Stahlindustrie gesucht, um über den Klimaschutz zu sprechen: „Die waren damals nicht vertreten, was ich bedauert habe.“