Bürokratieabbau : Brüssel will Europa „einfacher und schneller“ machen – aber nur ein bisschen
Die EU-Kommission will das Regelwerk zurückschneiden, das meist den Erlass von EU-Gesetzen begleitet. Diese Absicht ist Teil einer größeren Initiative der Brüsseler Behörde zur „Verbesserung der Verfahren, mit denen neue Regeln gemacht werden“. Sie diene dem Ziel, Europa „einfacher und schneller“ zu machen, heißt es im Entwurf einer Kommissionsmitteilung. Er liegt der F.A.Z. vor. Die Mitteilung begleitet den „Omnibus“-Gesetzesvorschlag, mit dem die EU-Behörde die Berichtspflichten der Unternehmen senken will. Er soll am 26. Februar vorgelegt werden.
Das Regelungsdickicht, auf das die Kommission jetzt abzielt, besteht in den sogenannten delegierten und implementierenden Rechtsakten, die sie meist unbemerkt von der Öffentlichkeit erlässt und die in den EU-Institutionen nur von wenigen Fachpolitikern und -beamten diskutiert werden. Sie sind in den vergangenen Monaten vielfach beklagt worden. So hat Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kürzlich kritisiert, eine nationale Regierung könne immer nur das Schlimmste verhindern, weil man gar nicht genau wisse, wer in Brüssel gerade in welchem Fachgremium was aushandele. Am Ende werde man vor vollendete Tatsachen gestellt. Besonders gelte das in der Umwelt- und Klimaschutzpolitik, über die Spezialisten ohne Rücksicht auf mögliche inhaltliche Konflikte mit anderen Politikfeldern verhandelten.
Mitgliedstaaten früher einbinden
In der Mitteilung heißt es, die meisten der Rechtsakte seien „technisch“ und unstrittig, weil sie kaum politische Folgen hätten. Wenn dies aber nicht der Fall sei, werde es künftig eine Folgenabschätzung oder eine Kosten-Nutzen-Analyse geben. Als typisches Beispiel eines delegierten Rechtsakts mit politischen Folgen gilt, dass die Kommission im Januar 2022 in ihrer Definition nachhaltiger Finanzanlagen („Taxonomie“) Nuklearenergie und Gas für eine Übergangszeit als nachhaltig einstufte. Das hatte in der Berliner Ampelregierung für Protest gesorgt.
Verbessern will die Kommission die Gesetzgebung ferner dadurch, dass sie schon während der Erarbeitung neuer Vorschläge daran denkt, wie diese sich nach der Verabschiedung ins Werk setzen lassen. Dafür müssten die Mitgliedstaaten, aber auch regionale und lokale Gebietskörperschaften früher in die Beratungen eingebunden werden.
„Die Implementierung von Gesetzen darf nicht erst nach deren Erlass eine Rolle spielen“, heißt es in dem Papier. Die Kommission will deshalb mögliche Beteiligte – von den Mitgliedstaaten bis zu den Lobbyisten – noch früher in den Entwurf neuer Gesetze einbeziehen als bisher schon. Außerdem sollen deren Auswirkungen für kleine und mittlere Unternehmen sowie generell auf die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft stärker berücksichtigt werden.
„Implementierungsdialoge“
Auch in ihren anderen Vorschlägen denkt die Kommission weitgehend in bekannten bürokratischen Bahnen. So will sie die Implementierung neuer Gesetze mit dem „Aufbau administrativer Kapazität“ erleichtern. Damit ist gemeint, dass die Staaten mehr „technische“ Hilfe aus der Kommission bekommen, wenn sie EU-Gesetze in nationales Recht umsetzen. Außerdem sieht sie „Implementierungsdialoge“ vor, an denen neben kleinen und mittleren Unternehmen auch Lobbyisten und lokale Behörden teilnehmen sollen. Jeder Kommissar soll verpflichtet werden, jährlich mindestens zwei solcher „Dialoge“ zu veranstalten. Deren Ergebnis soll in „jährliche Fortschrittsberichte“ eingehen.
All diese Schritte sollen auch dem von Kommissionschefin Ursula von der Leyen ausgerufenen Ziel dienen, die bürokratischen Lasten für die Wirtschaft um 25 Prozent und speziell jene für kleine und mittlere Unternehmen um 35 Prozent zu senken. Von der Leyen hatte am Mittwoch bei der Vorlage ihres „Wettbewerbsfähigkeits-Kompasses“ gesagt, so ließen sich Kosten in Höhe von 37,5 Milliarden Euro senken.
Der CSU-Europaabgeordnete Markus Ferber lobte, dass die Kommission den Bürokratieabbau endlich ernst nehme. Zu fragen sei aber, „was in den letzten Jahren falsch gelaufen ist, dass überhaupt unnötige Bürokratiekosten in solchen Dimensionen entstehen konnten. Wir müssen nicht nur heute Bürokratie abbauen, sondern auch dafür sorgen, dass morgen nicht wieder neue Bürokratie aufgebaut wird.“