CDU und Migration :
„Sagt die SPD, sagen die Grünen, was wir dürfen und was wir nicht dürfen?“

Von Rüdiger Soldt, Künzelsau
Lesezeit: 4 Min.
CDU-Chef Friedrich Merz am Samstag auf einer Parteiveranstaltung in Künzelsau
CDU-Chef Friedrich Merz betont, dass die Union im Sinne der Mehrheit der Deutschen handelt. Die Parteien der zerbrochenen Ampel nennt er „Novemberbankrotteure“.
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Der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, hat auf einer Wahlkampfveranstaltung im baden-württembergischen Künzelsau seine Entscheidung verteidigt, in der nächsten Woche Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag zu stellen und dabei eine mögliche Zustimmung der AfD in Kauf zu nehmen. „Entscheidet die AfD darüber, welche Anträge wir einbringen? Sagt die SPD, sagen die Grünen, was wir dürfen und was wir nicht dürfen? Jetzt wird im Sinne der Mehrheit der Deutschen entschieden“, sagte Merz. 95 Prozent der Menschen in Deutschland seien für Grenzkontrollen und forderten Zurückweisungen an den Grenzen.

Der Kanzlerkandidat wandte sich auch gegen Kritik, er habe nach dem Doppelmord in Aschaffenburg vorschnell Ankündigungen zur Migrationspolitik gemacht. Er habe über seine Reaktion auf das Verbrechen bewusst „eine Nacht geschlafen“.

Scharfe Reaktion auf Kritik von Scholz

Merz reagierte auch auf die Kritik von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) an seiner Ankündigung, Anträge zur Migration zur Abstimmung zu stellen. Wenn er jetzt höre, dass der Bundeskanzler Probleme mit dem Abstimmungsverhalten der Union habe, dann könne er darauf nur antworten: „Sie haben einen Haufen von Problemen, das deutsche Volk erwartet, dass Sie die lösen.“

Scholz hatte am Samstag öffentlich Merz‘ mehrfach wiederholtes Versprechen, die Union werde unter seiner Führung keinesfalls mit der AfD zusammenarbeiten, kooperieren oder gar koalieren, in Frage gestellt: „Was soll ich glauben? Das ist eine Frage, die nach den Vorgängen, die diese Woche passiert sind, sich jeder Bürger und jede Bürgerin stellen muss“, sagte der Bundeskanzler. Auch der grüne Kanzlerkandidat Robert Habeck und die Parlamentarische Geschäftsführerin der SPD-Bundestagsfraktion, Katja Mast, hatten Merz kritisiert.

Merz nannte die Vertreter der zerbrochenen Ampel-Regierung „Novemberbankrotteure“ und kündigte an, er werde am Tag seiner Wahl zum Bundeskanzler dem Innenministerium Anweisungen für eine andere Migrationspolitik geben und Grenzkontrollen und Zurückweisungen sofort anordnen.

Verprellt Merz frühere Merkel-Wähler?

Welche Anträge die Union in der kommenden Woche genau zur Abstimmung stellen will, führte Merz in seiner Rede nicht genauer aus. Er rechtfertigte sein Vorgehen in einem Interview mit der „Heilbronner Stimme“ und sagte, dass er die Anträge nur den Parteien der Mitte – also SPD, FDP und Grünen – zuleiten werde und nicht der AfD. „Es bekommen die ehemaligen Ampel-Fraktionen die Texte von uns mit der ausdrücklichen Bitte, darüber über das Wochenende zu sprechen und den Versuch zu unternehmen, in der nächsten Woche hier eine gemeinsame Entscheidung zu treffen“, sagte Merz der Zeitung. Auch das BSW erhalte die Anträge nicht.

Der CDU-Landesvorsitzende Manuel Hagel sagte, die AfD hasse alles, wofür die CDU stehe. Man dürfe aber die Entscheidungen in der Asylpolitik nicht von einem möglichen Abstimmungsverhalten der AfD im Bundestag abhängig machen: „Das Richtige wird nicht dadurch falsch, dass die Falschen sagen, dass es richtig ist.“ Von den Versprechungen und Beteuerungen der Ampel-Parteien, in der Migrationspolitik etwas zu ändern, habe er „die Schnauze voll“.

In der Union vertreten einige Funktionäre die Auffassung, dass es besser gewesen wäre, wenn Kanzlerkandidat Merz es dabei belassen hätte, eine Wende in der Migrationspolitik für den ersten Tag seiner Kanzlerschaft anzukündigen. Dann wäre das Risiko gering geblieben, in eine Diskussion über die Brandmauer und das Verhältnis zur AfD „hineinzustolpern“. Die Erfahrung vergangener Wahlkämpfe zeige, dass die Union mit solchen Manövern ehemalige Merkel-Wähler verprelle und die AfD womöglich stärke.

Warnung vor Stimmen an AfD und FDP

Die Migrationspolitik war erst das dritte große Thema, dem sich Merz in seiner Rede in Künzelsau widmete. Einige Zuhörer enttäuschte das, sie hätten sich gleich zu Beginn seines Auftritts klare Worte zur Migration gewünscht. Zuerst sprach der Unionskanzlerkandidat über die Sicherung der Freiheit in Europa und die Notwendigkeit, die deutsche Verteidigungsfähigkeit herzustellen. Das zweite Thema der Rede war die Wirtschafts- und Energiepolitik. Merz versprach eine Senkung der Einkommensteuer und eine Vereinfachung des Steuersystems. „Den Bierdeckel überlassen wir der SPD, wir machen eine App auf dem Handy.“ Außerdem kündigte Merz an, dass er als möglicher Bundeskanzler einen Digitalisierungsminister und im Kanzleramt einen Staatsminister für Sport und das Ehrenamt berufen werde.

Merz appellierte im „Carmen-Würth-Forum“ in Künzelsau an die Wählerinnen und Wähler, sich bei der Bundestagswahl am 23. Februar nicht mit einer Stimme für die AfD „Luft zu machen“. Das würden sie schon am Tag nach der Wahl bereuen, weil die AfD keinen Einfluss auf die Regierungspolitik haben werde: „Ich werde mit dieser Partei keine Gespräche über eine Zusammenarbeit führen.“ Mit Blick auf die FDP riet Merz von einem Stimmen-Splitting ab: „Beide Stimmen für die Union, nur dann haben wir eine Chance.“

Die SPD-Bundesvorsitzende Saskia Esken kritisierte auf einer Wahlkampfveranstaltung in Wiesbaden Merz‘ Aussagen: Die Ankündigung, die Anträge zur Migrationspolitik im Bundestag zu stellen, nannte sie einen „Erpressungsversuch“. Die Brandmauer von Merz sei „aus Papier gebaut“ und brenne lichterloh.

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