Ausschalten von Terroristen :
Was gezielte Tötungen tatsächlich bewirken

Von Christian von Soest
Lesezeit: 2 Min.
Bewaffnete Palästinenser demonstrieren neben einem Poster des getöteten Hizbullah-Führers Hassan Nasrallah.
Direkte Angriffe auf Terrorverdächtige im Nahen Osten häufen sich, sind aber eine hochriskante Strategie. Für langfristig mehr Sicherheit dürften sie kaum sorgen.
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Hassan Nasrallah fühlte sich offenbar sicher. Der Kopf der Hizbullah befand sich tief unter der Erde, als bunkerbrechende Bomben das Hauptquartier der Terrorgruppe trafen und Nasrallah und weitere Führungsfiguren aus dem Leben rissen. Und nun traf es den lange gesuchten Hamas-Führer Yahya Sinwar.

Nach den monströsen Terrorattacken am 7. Oktober des vergangenen Jahres setzt Israel neben massiven Militäreinsätzen in Gaza und in Südlibanon zunehmend auf das gezielte Töten von Terroristen der Hamas und der Hizbullah. In einer beispiellosen Aktion sprengte der israelische Geheimdienst Mossad Tausende Pager und Funkgeräte von Hizbullah-Mitgliedern. Die Explosionen töteten zahlreiche von ihnen und verletzten andere schwer. Auch andere Staaten setzen auf gezielte Tötungen. So führte die USA einen Drohnenkrieg in Afghanistan oder Somalia, wo das Surren von Drohnen am Himmel in einigen Gebieten zum Alltag gehört.

Hier soll es nicht um die Rechtmäßigkeit dieser Schläge gehen, sondern um die nüchterne Frage, ob das „Ausschalten“ von Terroristen überhaupt mehr Sicherheit bringt. Grundsätzlich können gezielte Tötungen drei mögliche Folgen haben: Sie können die Kampfkraft von Terrorgruppen schwächen, häufigere Angriffe provozieren oder gar die Gruppen und die Bevölkerung weiter radikalisieren. Neue Kämpfer schließen sich dann den Terrororganisationen an.

Die Forschung zeigt, dass gezielte Schläge gegen die Führung und Bombenbauer eine Terrororganisation kurzfristig tatsächlich empfindlich schwächen können. Tötungen schweißen die verbliebenen Mitglieder auch nicht automatisch enger zusammen – mitunter beginnen diese zunächst mit der hektischen Suche nach Verrätern in den eigenen Reihen. Nicht selten werden Verdächtige kurzerhand exekutiert.

Im Lauf der Zeit gewinnen aber gerade tief verwurzelte und gut organisierte Terrorgruppen regelmäßig neue Schlagkraft, die getöteten Anführer werden ersetzt. Die Hizbullah kann als Prototyp einer solchen Organisation gelten. Ein weiterer Faktor: Tote in der Zivilbevölkerung erleichtern ihnen das Rekrutieren neuer Kämpfer.

Gezielte Schläge können deshalb sicher keinen Frieden bringen, sondern die Gewalt im Lauf der Zeit sogar anfachen. Eines steht außer Frage: Ohne einen politischen Prozess und Ausgleich, also eine Bearbeitung der Konfliktursachen, wird es keinen nachhaltigen Frieden für Israel und die Region geben können.

Prof. Dr. Christian von Soest
Christian von Soest leitet den Forschungsschwerpunkt Frieden und Sicherheit am German Institute for Global and Area Studies (GIGA) und ist Honorarprofessor an der Universität Göttingen. Ende 2023 ist sein Buch „Sanktionen: Mächtige Waffe oder hilfloses Manöver?“ erschienen.
Bild: FAZ
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