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Artikel 74 / 77
Illustration: Patrick Mariathasan / DER SPIEGEL

Briefe

Das Geschäft mit der Flucht, eine Assistenzärztin, die keine Lust mehr auf ihren Job hat, der Niederländer Boyan Slat, der die Meere vom Plastikmüll befreien will – das waren die Themen, zu denen wir in der vergangenen Woche die meisten Zuschriften erhalten haben.
aus DER SPIEGEL 17/2024

Es bedarf eines Kurswechsels

Heft 16/2024 Titel: Das Geschäft mit der Flucht 

  • Nach der Lektüre bin ich fassungslos, sage ganz klar aber: Hut ab vor Bernd Stöberl und den anderen engagierten und idealistischen Menschen, die hier zu Wort gekommen sind! Doch Sie versäumen bei aller Akribie in der Schilderung, praktikable Lösungsansätze zu benennen. So ist es dringend geboten, dass Asylanträge in den europäischen Botschaften der Heimatländer der Migrationswilligen zu stellen sind. Dort wird von mit der Situation vor Ort vertrautem Personal sehr schnell festgestellt, wer tatsächlich asylberechtigt ist. Das hat mittelfristig den Nebeneffekt, dass dem Treiben von Menschen wie Anwar A. die Geschäftsgrundlage entzogen wird. Im Übrigen ist der populistische und wenig durchdachte Ruf nach strengeren Gesetzen ohnehin obsolet, denn nicht zuletzt dieser SPIEGEL-Titel verdeutlicht, welche Möglichkeiten sich aus der grenzübergreifenden, konzertierten Kooperation ergeben, wenn man Polizei und Justiz nur gewähren lässt.
    Matthias Kaiser, Schutterwald (Bad.-Württ.)

  • Der Anstieg der Zuwanderungszahlen begann vor zehn Jahren. Er wäre ohne das inzwischen gut etablierte Schlepperunwesen unmöglich. Bis heute sind etwa 30.000 Flüchtlinge ertrunken sowie mehr als 1000 in Lkw ums Leben gekommen, und es wird weiter andauern. Ein Hoch auf die, die viele vor dem Ertrinken retten. Es ist eine Schande, dass all die Jahre kein Weg gefunden wurde, dieses Leid zu beenden. Man könnte sichere Seewege einrichten. Man könnte viel mehr vor Ort investieren und bessere Lebensbedingungen schaffen. Die Fluchtbewegung aus den afrikanischen Ländern wird noch lange andauern. Vergessen wir nicht: Jahrhundertelang haben viele europäische Länder Afrika schamlos ausgebeutet, Kulturschätze gestohlen, unzählige Einwohner vertrieben, enteignet, ermordet und Abertausende versklavt. Man glaube nur nicht, dass im Gedächtnis der Nachfahren dieser Menschen keine Erinnerungen mehr an diese Verbrechen der Europäer vorhanden sind. Sie wollen einfach ein Stückchen vom Kuchen haben, der ja aus ihren »Zutaten« gebacken wurde. Diese Zusammenhänge machen, neben den schlechter werdenden klimatischen Bedingungen und prekären politischen Zuständen, diese Fluchtbewegungen verständlicher.
    Irmgard Anscherlik, Adliswil (Schweiz)

  • Es ist erschreckend, wie die deutschen Behörden von Schleppern und Flüchtlingen vorgeführt werden. Unser Asylrecht, unter dem Eindruck der Nazigräuel verfasst, ist längst anachronistisch. Weltweite Kommunikation in Echtzeit, logistisch perfekt aufgestellte Schlepperbanden, die genau die Falschen bei uns anlanden lassen. Kommunen und Wohnungsmarkt hoffnungslos überlastet, wie soll da Integration gelingen? Es bedarf eines radikalen Kurswechsels, jeder weiß das, aber keiner will den ersten Schritt tun, um anschließend das mediale Ritual über sich ergehen zu lassen, als unmenschlich abgekanzelt zu werden.
    Martin Braun, Berlin

  • Das Problem sind nicht die Schleuser. Das Problem sind die Fluchtursachen wie Armut, Klimawandel, Krieg und Korruption.
    Ernst Soldan, Norderstedt (Schl.-Holst.)

Das Image hat stark gelitten

Heft 15/2024 Leitartikel: Christian Lindners törichtes Spiel mit dem Koalitionsbruch 

  • Einen Leitartikel über den FDP-Chef mit der böswilligen Schlagzeile »Krawallmacher Lindner« zu titulieren, zeugt von einer gewissen Voreingenommenheit des Verfassers. Wenn aber jemand die Zusammenhänge volkswirtschaftlicher Art zwischen Steu­ersenkungen und dem Volumen der Steuereinnahmen derartig schlicht betrachtet, wie er das tut, ist Absicht wider besseres Wissen zu unterstellen: Steuersenkungen sind ein Mittel der Wirtschaftsförderung und daher durchaus geeignet, zu mehr Steuereinnahmen zu führen (statt zu weniger). Auch Ihre Einschätzung der politischen Motive Lindners zeigt sich bei näherer Betrachtung als wenig hilfreich. Neue Argumente für den Verbleib der FDP in der Koalition und die daraus resultierenden Risiken sind alle schon x-fach beleuchtet worden, auch im SPIEGEL. Gott sei Dank ist dieser Leitartikel nur eine Seite lang.
    Friedbert Eder, Aschaffenburg

  • Opposition in der eigenen Regierung zu sein kommt naturgemäß nicht gut an. Zu seinen Überzeugungen zu stehen und zu versuchen, sie durchzusetzen, ist an sich eine gute Tugend. Schwierig wird es aber dann, wenn sich wie im Fall der Ampelkoalition mehrere Partner auf eine gemeinsame Lösung verständigen müssen. Wenn diese dann gefunden ist, muss sich jeder an seine Zusagen gebunden fühlen. Bei den Freien Demokraten hat das des Öfteren nicht funktioniert, weshalb das Image der FDP sehr stark gelitten und die Zustimmung der Befragten einen historisch niedrigen Prozentsatz erreicht hat. Es sind noch knapp eineinhalb Jahre Zeit, um die Bürgerinnen und Bürger von der Arbeit der FDP zu überzeugen, denn die Bundesrepublik braucht unbedingt eine liberale Stimme im Bundestag.
    Alois Schwind, Wachtberg (NRW)

  • Opposition in der Regierung bringt eben sehr viel mehr der erstrebten Aufmerksamkeit als Kompromissfähigkeit und die Einsicht, dass potenzielle Wähler in einer Regierung keine Prinzipienreiterei und Krawalle, sondern gemeinsames und fleißiges Abarbeiten des geschlossenen Koalitionsvertrages und ernsthaftes Bemühen um die Wohlfahrt unseres Staates honorieren werden – nicht aber ständige, teilweise sogar verblüffende Profilierungsversuche gegenüber den Regierungspartnern. Außerhalb des Bundestages »aufzuwachen« wäre zu spät und sehr ernüchternd
    Prof. Dr. Thomas Weise, Hamburg

  • Ihr Leitartikel bringt es auf den Punkt. Lindner hat sein »geniales« Postulat »Besser nicht regieren als schlecht regieren« auf den Kopf gestellt: »Besser schlecht regieren als nicht regieren«.
    Wilfried Schrammen, Bielefeld

Kein Mangel an Bewerbern

Heft 15/2024 Eine Assistenzärztin hat keine Lust mehr auf ihren Job 

  • Es ist immer schwierig, vom Einzelfall auf den Gesamtzustand eines Systems zu schließen. Das gilt auch für die Krankenhäuser und die dort tätigen Assistenzärzt:innen. Die ausführliche Schilderung von Frau Stuchtey zeigt, dass hier vieles nicht optimal läuft. Durch eine bessere und flexiblere Organisation, eine weniger aufwendige Dokumentation von Diagnosen und Behandlungen (gewiss kein Hexenwerk) und schlicht mehr Wertschätzung für den ärztlichen Nachwuchs und seine Erwartungen, wo sie berechtigt sind. Alles lösbar, aber bitte nicht durch den Import von ausländischem Nachwuchs, der dort Lücken hinterlässt, oder
    den pauschalen Ruf nach mehr (horrende teuren) Medizinstudienplätzen.
    Reinhard Bassier, Rheinberg (NRW)

  • Sicherlich ist es schade, wenn qualifizierte Mediziner den Arztberuf verlassen. Gleichzeitig gibt es, anders als in der Pflege, keinen Mangel an Bewerbern für dieses Fach. Die Quote von Studienplatzbewerbern zu Studienplätzen liegt in Deutschland mindestens bei fünf zu eins. Und es fehlen etwa 5000 Studienplätze. Eine sehr ärgerliche Situation. Weil es in Deutschland absurd lange dauert, die Zahl der Studienplätze zu erhöhen, haben wir einen anderen Weg gewählt: Unsere Studienförderstiftung vergibt Stipendien an junge Menschen, die den Aufnahmetest der renommierten Medizinischen Fakultät der Karls-Universität in Prag bestehen. Einen Numerus Clausus gibt es nicht. Dort studieren sie auf Englisch, bekommen eine hervorragende Aus­bildung, ihre praktischen Ausbildungs­anteile absolvieren sie in unseren Krankenhäusern, und nach dem Examen verbringen sie ihre Assistenzarztzeit
    bei uns. Die Kosten pro Studienplatz sind um zwei Drittel niedriger als in Deutschland, bei mindestens gleicher Ausbildungs­qualität. Das könnte auch ein Modell für ganze Bundesländer sein – zumindest bis es in Deutschland wirklich mehr Studienplätze gibt.
    Ulrich Pelster, Vorstand der Schwester Euthymia Stiftung, Vechta (Nieders.)

  • Ich finde es immer wieder bedauerlich, dass bei all den Klagen über die Zustände in Kliniken eine Trennung zwischen Ärzten und Pflegepersonal deutlich wird. Auch in Ihrem Beitrag. Jeder leidet für sich, eine Solidarisierung findet nicht statt. Dabei wäre ein gemeinsamer Einsatz für bessere Arbeitsverhältnisse in Kliniken viel wirkungsvoller. So aber kann die Klinikleitung Ärzte gegen Pflegepersonal ausspielen – und umgekehrt. Eine bessere Zusammenarbeit im Sinne aller Beteiligten (Patient, Pflegefachkraft, Arzt) wird so verhindert. Gegenseitige Wertschätzung findet kaum statt. Man begegnet sich abschätzig mit Ignoranz. Der Dünkel geht meiner Meinung nach von den Ärzten aus. Den Patienten sehen sie nur flüchtig. Ihre Kenntnisse ziehen sie vor allem aus der Patientenakte. Das Pflegepersonal ist den ganzen Tag nah am Patienten. Pflegefachkräfte beobachten ihn und nehmen kleinste Auffälligkeiten wahr. Ihre Erkenntnisse spielen eine untergeordnete bis gar keine Rolle für Ärzte.
    André Szabó-Wendt, Halle (Saale)

Die Einwegflut muss gestoppt werden

Heft 15/2024 Der Niederländer Boyan Slat will die Meere vom Plastikmüll befreien 

  • So begrüßenswert ich Herrn Slats Aktionen finde, frage ich mich doch, welches Ziel er eigentlich anstrebt. Er hält die Ansicht für falsch, menschliches Wachstum und eine gedeihende Umwelt könnten nicht nebeneinander existieren, denn diese Ansicht würde sich gegen die komplette menschliche Zivilisation stellen. Ich bezweifle stark, dass die komplette menschliche Zivilisation auf der Basis immerwährenden Wachstums fortbestehen kann. Ähnlich wie seine großen Geldgeber bastelt sich Herr Slat ein falsches Dilemma zusammen, denn im Gegensatz zur menschlichen Gier sind die globalen Ressourcen endlich. Tatsächlich brauchen wir die Aktionen beider Gruppen für unser Überleben: Die Einwegflut muss durch Verbote gestoppt und der vorhan­dene Plastikmüll aus der Umwelt wieder entfernt werden. Mit einem künstlich aufgeblasenen Entweder-Oder schrumpfen Herrn Slats Aktionen zu einem Feigenblatt für das erwünschte »Weiter so!« – mit Betonung auf: so! – der Libertären und des großen Geldes.
    Ulrich Burkhardt, Görlitz (Sachsen)

Ungewohnt bunt

Heft 15/2024 Die Wiederauferstehung der Pariser Kathedrale Notre-Dame 

  • Interessanter, aufschlussreicher Bericht über die Hintergründe der großartigen Wiederherstellung des Zustandes vor der Brandkatastrophe in relativ kurzer Zeit. Aber warum um Gottes willen kein Wort zu den erhalten gebliebenen, original bemalten Glasfensterscheiben?
    Peter Waldeis, Ihringen (Bad.-Württ.)

  • Es ist übrigens keine Sensation, dass der Chefarchitekt von Notre-Dame sich »in den vergangenen fünf Jahren mit nichts anderem beschäftigt hat«; vielmehr ist das ja seine Aufgabe, für die er bezahlt wird. Schon eher bemerkenswert erscheint das moderne Flagellantentum des Tattoo-Fans. Tätowieren ist ja auch mit Schmerzen verbunden, ähnlich wie der religiös-ekstatische Brauch des Mittelalters. Während das irrationale Mittelalter trotz inbrünstigen Glaubens meist Jahrhunderte für den Bau einer großen Kathedrale brauchte, geht es nach der Aufklärung schneller mit der Reparatur. Das könnte durchaus auf den Rationalismus der von Ihnen erwähnten Baustellenorganisation zurückzuführen sein. Die vom Kerzenruß gereinigten Steinoberflächen werden den bisher düsteren Innenraum gewiss angenehm heller machen, allerdings kaum »strahlender als je zuvor«, sondern eben nur so hell wie zur Erbauungszeit. Das saubere Original mag ungewohnt bunt sein, aber es ist die historische Realität, die niemandem wirklich schadet. Das kann man leider von dem neu-altertümlichen Bleiblech nicht sagen.
    Dr. Dietrich W. Schmidt, Bauhistoriker i. R., Stuttgart

  • Frau Sandberg hat einen berührenden Beitrag über Notre-Dame von Paris ­geschrieben.
    Nico Thewes, Luxemburg

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