Sudan : Milliarden aus dem Goldhandel finanzieren den Krieg
In Sudan spitzt sich die Lage zu: Die sudanesischen Streitkräfte (SAF) und die Rapid Support Forces (RSF), die beiden Hauptkonfliktparteien, haben mit dem Ende der Regenzeit im Herbst neue Offensiven gestartet. Beide Konfliktparteien verstoßen dabei gegen grundlegende völkerrechtliche Schutzverpflichtungen. Die SAF bombardieren unterschiedslos ihre Gegner sowie dicht besiedelte Wohngebiete, Märkte und weitere zivile Infrastruktur. Die RSF greifen gezielt Menschen nicht arabischer Herkunft an, setzen ihre Dörfer in Flammen, morden und vertreiben.
Sie nutzen zudem massenhaft sexualisierte Gewalt als Waffe, plündern und zerstören Lebensgrundlagen der Bevölkerung. Aktuell sind nirgendwo so viele Menschen vertrieben wie in Sudan: mehr als 14 Millionen, davon rund zwölf Millionen seit Kriegsbeginn im April 2023. Zudem entwickelt sich dort eine Hungersnot. Etwa die Hälfte der Bevölkerung, über 25 Millionen Menschen, leidet derzeit akut an Hunger. Die Konfliktparteien behindern den Zugang für humanitäre Hilfe.
Ein umfassender und haltbarer Friedensschluss würde die Zivilbevölkerung am besten schützen, scheint aber kurzfristig nicht erreichbar. Selbst Verhandlungen für einen Waffenstillstand – zuletzt geführt von den USA – finden aktuell nicht statt. Für einen Blauhelmeinsatz, den es mit UNAMID (United Nations African Hybrid Mission) bis Ende 2020 in Darfur gab, fehlen derzeit die Voraussetzungen. Das stellte Ende Oktober auch der UN-Generalsekretär in einem Bericht an den Sicherheitsrat klar. Denn die Konfliktparteien lehnen einen solchen Einsatz, den auch sudanesische Politiker im Exil mit Nachdruck fordern, ab. Umso wichtiger ist es, andere Möglichkeiten auszuloten.
Die Konfliktparteien können die Kämpfe lange durchhalten, weil sie auf erhebliche eigene finanzielle Ressourcen sowie externe Unterstützung in Form von Waffen, Ausrüstung und Treibstoff zurückgreifen können. Diese Finanzierungsquellen sowie den Nachschub an Waffen einzuschränken könnte auch helfen, die Gewalt gegen die Zivilbevölkerung zu reduzieren.
Auch Moskau profitiert vom Schmuggelgold
Sowohl die SAF als auch die RSF profitieren seit Jahren vom Geschäft mit Gold. Mit der Unabhängigkeit Südsudans 2011 ersetzte die wachsende Goldproduktion Erdöl als wichtigstes Exportgut des Landes. Laut Schätzung der sudanesischen Zentralbank wurden vor dem Krieg rund 70 Prozent des Golds geschmuggelt, tauchten also nie in der Handelsbilanz auf.
Es geht um mehrere Milliarden US-Dollar pro Jahr, die auch von den Unternehmen der SAF und der RSF abgeschröpft werden. Das Edelmetall landet über unterschiedliche Wege (wie Ägypten) meist in den Vereinigten Arabischen Emiraten, wo es mit Gold aus anderen Ländern verschmolzen wird. Russland ist sowohl mit eigenen Unternehmen wie Meroe Gold in Sudan aktiv, profitiert aber Berichten zufolge auch als Endabnehmer von sudanesischem Gold für die eigenen Reserven.
Die EU und die USA haben bereits einige im Goldhandel beteiligte sudanesische Unternehmen mit Sanktionen belegt. Mehr Unternehmen sollten folgen, damit beispielsweise Logistikanbieter oder Versicherungsunternehmen aus der EU nicht mit dem Mineraliensektor in Sudan kooperieren. Über ihre Konfliktmineralienverordnung verpflichtet die EU bereits Unternehmen dazu sicherzustellen, dass das von ihnen industriell verwendete Gold keine bewaffneten Akteure finanziert. Wichtiger wäre es noch, Druck auf emiratische und ägyptische Behörden auszuüben, ihre Goldmärkte transparenter zu gestalten und strengeren unabhängigen Überprüfungen zu unterziehen. Dabei sollte auch die Unterstützung dieser Länder für die Konfliktparteien in Sudan deutlicher angesprochen werden
Was Deutschland machen kann
In Sudan selbst kann sich Deutschland mit seinen europäischen Partnern intensiver für eine Reihe von Maßnahmen einsetzen, ohne dafür auf einen Waffenstillstand warten zu müssen. Damit würde Deutschland auch dem Versprechen der Weltgemeinschaft Wirkung verleihen, das diese beim Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen im September abgab, „konkrete und praktische Maßnahmen zu ergreifen, alle Zivilisten in bewaffneten Konflikten zu schützen“. Deutschland hat als Ko-Verhandlungsführer (zusammen mit Namibia) einen wesentlichen Beitrag geleistet, dass dieser Text trotz der globalen Spannungen im Konsens angenommen wurde. Nun sollten dem auch Taten folgen.
Humanitäre Diplomatie kann dafür sorgen, dass humanitäre Organisationen einen besseren Zugang zur Zivilbevölkerung erlangen, an Grenzübergängen und über Frontlinien hinweg. Die Erfahrung der letzten Monate zeigt, dass hochrangige Gespräche mit den De-facto-Autoritäten in Port Sudan zumindest kurzfristige Erfolge erzielen können. So konnten im November erstmals seit Monaten Lastwagen des Welternährungsprogramms das von der Hungersnot betroffene Vertriebenenlager Zam-Zam in Nord-Darfur erreichen.
Basisversorgung mit Nahrungsmitteln fördern
Außerdem kann sich Deutschland dafür einsetzen, dass Geber vorhandene Mittel vorsichtig so lenken, dass insbesondere lokale Organisationen und Freiwilligenakteure profitieren, die lokale Waffenstillstände und Schutz auszuhandeln versuchen und humanitäre Hilfe in umkämpften Gebieten leisten. Jegliche Unterstützung sollte allerdings vermeiden, durch zu große Öffentlichkeit lokale Akteure weiter zu gefährden. Neben humanitärer Hilfe sollte auch die Basisversorgung sowie Lebensmittelproduktion durch den Agrarsektor befördert werden. Landwirtschaftliche Flächen und Geräte werden zum Teil gezielt angegriffen. Bleibende Ernteausfälle könnten im nächsten Jahr den Hunger in Sudan weiter verschlimmern.
Zentral ist auch die Prävention von sexualisierter Gewalt und die Unterstützung von Opfern; dies sind vor allem Frauen und Mädchen. Vergewaltigungen, sexuelle Versklavung und Menschenhandel sind Teil der Kriegsführung. Deutschland sollte weiterhin die UN-Ermittlungskommission für Sudan unterstützen. Sie dokumentiert sexualisierte Gewalt für eine spätere Aufarbeitung. Daneben benötigen die Opfer von Vergewaltigungen dringend Zugang zu psychologischer und medizinischer Versorgung einschließlich Nachsorgesets, die dezentral verfügbar sein müssen.
Nichts davon wird den Krieg direkt beenden. Doch all diese Maßnahmen können zumindest helfen, das Leid der Zivilbevölkerung einzudämmen und Raum schaffen, um über einen Waffenstillstand und politische Lösungen zu sprechen. Auch angesichts der Wahl von Donald Trump in den USA wird es besonders auf die europäischen Staaten und die EU ankommen, internationale Maßnahmen voranzutreiben. Denn wenigstens das Schlimmste gilt es zu verhindern.