Mullah-Herrschaft :
Trump könnte den maroden Iran in die Knie zwingen

Gastbeitrag
Von Mahdi Ghodsi
Lesezeit: 5 Min.
Iranische Ölraffinerie auf der Insel Kharg
Jahrzehntelange Misswirtschaft, Sanktionen und ein aufgeblähter Staatsapparat belasten die iranische Wirtschaft. Sollte der neue US-Präsident das Land von seinen Öleinnahmen abschneiden, könnte die Situation kritisch werden.
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Iran erlebt eine der turbulentesten Perioden seit der Islamischen Revolution von 1979. Es steht möglicherweise erneut vor einem Umsturz. Die ideologische Politik des autoritären Mullah-Regimes hat das Land in einen beispiellosen sozioökonomischen Niedergang gestürzt und es an den Rand eines umfassenden Krieges mit Israel gebracht. Die wachsende Unzufriedenheit der Bevölkerung über die sich verschlechternden Lebensbedingungen entlädt sich immer wieder in Protesten, so zuletzt nach dem Tod der zweiundzwanzigjährigen Studentin Mahsa Amini, die in Gewahrsam der Sittenpolizei starb.

Das fortgeschrittene Alter des Obersten Führers Ali Khamenei – er ist 85 Jahre alt – sowie die Abwendung der Bevölkerung vom Regime, wie sie etwa in der historisch schlechtesten Wahlbeteiligung bei der Abstimmung über den neuen Präsidenten Massud Peseschkian greifbar wurde, lassen die Zukunft der Islamischen Republik ungewiss erscheinen.

Dazu kommen der enorme Druck von außen durch die westlichen Sanktionen, der Streit um das iranische Atomprogramm und eine geopolitische Situation, die sich für Iran immer weiter zuspitzt. Israel ist es gelungen, die Hizbullah in Libanon, das Kronjuwel der von Iran im Nahen Osten geförderten schiitischen Milizen, nachhaltig zu schwächen. Zudem hat Teheran mit dem Sturz von Baschar al-Assad in Syrien auch seinen wichtigsten Verbündeten in der Region und die Landbrücke zur Hizbullah verloren.

Mit Donald Trumps Amtsantritt am 20. Januar droht zudem neues Ungemach, schließlich war er es, der das von Barack Obama ausgehandelte Atomabkommen mit Iran kippte und neue, harte Sanktionen gegen das Land verhängte. Die größte Gefahr droht dem Regime aber von der desaströsen Wirtschaftslage im eigenen Land, auch wenn sich ihre Brisanz erst auf den zweiten Blick erschließt.

Parallelen zur erodierenden DDR

Laut den offiziellen Zahlen der iranischen Zentralbank schrumpften die Bruttoanlageinvestitionen in Iran zwischen 2012 und 2023 jährlich um 0,04 Prozent und drückten die Wirtschaftsleistung des Landes im Schnitt um 1,13 Prozent nach unten. Insgesamt expandierte das iranische Bruttoinlandsprodukt (BIP) in manchen Jahren zwar erheblich, aber vor allem aufgrund hoher Einnahmen aus den Erdölexporten, die allerdings starken Schwankungen unterlagen. Eine Kapitalabschreibungsrate von vier Prozent pro Jahr zeigt jedenfalls, dass der Kapitalstock der iranischen Wirtschaft – das Rückgrat der Produktion – über die Jahre hinweg stetig erodierte – eine Entwicklung, wie sie sich etwa auch in der späten DDR vollzog.

Während die Bevölkerung im gleichen Zeitraum stark gewachsen ist, haben die schlechten wirtschaftlichen Bedingungen und das feindselige Geschäftsklima, geprägt von korrupten Strukturen, Misswirtschaft, Sanktionen, einem aufgeblähten und expandierenden öffentlichen Sektor, der rund 75 Prozent der Wirtschaftsleistung ausmacht und zu weiten Teilen von den Revolutionsgarden kontrolliert wird, zu einer ausgeprägten Stagflation der iranischen Wirtschaft in vielen Bereichen geführt.

Die inkompetente Wirtschaftspolitik des Ex-Präsidenten Ebrahim Raisi, der im Mai dieses Jahres bei einem Helikopterabsturz getötet wurde, ließ die jährliche Inflationsrate laut offiziellen Zahlen der iranischen Statistikbehörde im Frühjahr 2023 auf ein Rekordhoch von fast 60 Prozent steigen. Verantwortlich dafür war vor allem die Abwertung des hochsubventionierten offiziellen Wechselkurses der iranischen Währung von 42.000 Rial pro Dollar auf 285.000 Rial pro Dollar. Das heizte die Inflation bei Lebensmitteln massiv an. Fleisch und Geflügel verteuerten sich annualisiert um 116 Prozent, Speiseöl um mehr als 200 Prozent. Aber auch die nicht erfolgte Inflationsanpassung der Gehälter im wichtigen öffentlichen Dienst ließ die real verfügbaren Einkommen für weite Bevölkerungsschichten sinken.

Weniger als 30 Prozent der Menschen in Iran haben einen offiziellen Job, auch wenn es natürlich eine große Schattenwirtschaft gibt, in der viele einer oft prekären Beschäftigung nachgehen. Die Erwerbsquote, also der Anteil der Personen an der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter, die entweder erwerbstätig oder auf der Suche nach einem Arbeitsplatz sind, liegt in Iran laut offiziellen Zahlen bei weniger als 43 Prozent, was die ungünstigen und entmutigenden Bedingungen auf dem Arbeitsmarkt verdeutlicht. In Kombination mit einer galoppierenden Inflation ließ das die Armutsquote laut Angaben des Parlaments in Teheran auf mehr als 30 Prozent der Bevölkerung steigen. Gut die Hälfte der Iraner nimmt weniger als 2100 Kalorien pro Tag zu sich, was unter der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen Menge liegt.

Verwundbare Hauptschlagader Erdöl

Zwar wuchs die iranische Wirtschaft zwischen 2021 und 2023 laut den Zahlen der iranischen Notenbank im Durchschnitt um 4,5 Prozent. Getrieben wurde dieses Wachstum aber vor allem durch die sprudelnden Öleinnahmen, während andere Sektoren darbten. Offiziellen Angaben zufolge verzeichnete der Bereich „Erdöl- und Erdgasförderung“ im Jahr 2023 mit einer Zunahme von 20 Prozent gegenüber dem Vorjahr das größte Wachstum. Er macht rund 16 Prozent des iranischen BIP aus. Ein weiterer Wachstumstreiber war der private Konsum, stimuliert durch steigende Bargeldauszahlungen der Regierung und hohe staatliche Subventionen für viele Bereiche, die allerdings wiederum nur durch die Öleinnahmen finanziert werden können und die Inflation befeuern.

Auch der Dienstleistungssektor, der rund 46 Prozent des BIP ausmacht, verzeichnete ein bescheidenes Wachstum von 3,4 Prozent. Die in Iran wichtige Landwirtschaft, die fast acht Prozent des BIP generiert und vielen Menschen Beschäftigung gibt, schrumpfte allerdings aufgrund von Dürren und den Folgen des Klimawandels um mehr als zwei Prozent.

Hauptgrund für die relativ hohen Erdöleinnahmen der vergangenen Jahre war die gelockerte Durchsetzung der amerikanischen Sanktionen. Präsident Joe Biden wollte damit eine erneute Eskalation mit Iran vermeiden und andererseits auch die globalen Erdölpreise im Rahmen halten. Das ermöglichte es der Regierung des ehemaligen Präsidenten Raisi, über ein komplexes Tauschhandelssystem mehr als 1,5 Millionen Barrel Öl pro Tag mit hohen Rabatten vor allem nach China und Indien zu exportieren.

Infolgedessen konnte Iran Waren im Wert von fast 65 Milliarden US-Dollar importieren, ohne das vom Westen kontrollierte SWIFT-System für Banküberweisungen zu nutzen, von dem Iran bereits vor vielen Jahren abgeschnitten wurde. Dazu kamen weitere Einnahmen aus dem Verkauf von Drohnen und Raketen an Russland für seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine.

Die hohe Abhängigkeit von den Erdöleinnahmen stellt aber auch die Achillesferse der iranischen Wirtschaft dar. Die Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass Donald Trump genau hier das Messer ansetzen und neue harte Sanktionen verhängen könnte, um Iran zu Konzessionen bei seinem Atomprogramm und seinen geopolitischen Ambitionen zu zwingen. Sollte eine daraus resultierende Verschärfung der Wirtschaftskrise einen neuen Aufstand der Bevölkerung provozieren, wäre der Sturm für die Mullahs perfekt.

Dr. Dr. Mahdi Ghodsi
Mahdi Ghodsi ist Handelsökonom am Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) und Experte für die Wirtschaft des Iran. Der gebürtige Iraner lebt und forscht seit vielen Jahren in Wien.
Bild: wiiw/Hans Schubert
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